Liebe Gläubige!
Schon die Menschen zu Zeit Jesu hatten mit diesem Evangelium ihre Probleme! Da vergleicht Jesus Gott mit einem offensichtlich ungerechten Gutsbesitzer. Er zahlt ja den Arbeitern, die den ganzen Tag gearbeitet haben, genau so viel, wie denen die nur eine Stunde am Weinberg gewesen sind. Wie ist das zu erklären? Damals wie heute scheint Jesus mit unorthodoxen Vergleichen provozieren zu wollen: Gott ist sicher nicht ungerecht!
Es gibt verschiedene Erklärungsversuche für diese Bibelstelle. Aber zuerst einmal wollen wir die damaligen Verhältnisse betrachten: Der Gutsherr hat mit den Arbeitern einen Denar als Lohn ausgemacht. Das ist der übliche Lohn für ungelernte Wanderarbeiter. Mit einem Denar konnte man eine Familie einen Tag gut ernähren. Ein Denar ist also das Lebensnotwendige, das jeder braucht. Das ganze Gleichnis spielt in der Szene der Wanderarbeiter. Sie kamen von den Dörfern in der Frühe in die Stadt, um am Marktplatz zu warten, bis sie jemand als Hilfsarbeiter anwirbt. Natürlich waren die jungen und kräftigen Arbeiter am begehrtesten. Die Alten, Schwachen oder Kranken blieben oft ohne Arbeit übrig und kamen nur, wenn wirklich Not am Mann war zum Zuge. Genau so hat es auch der Gutsbesitzer gemacht. Zuerst hat der junge und kräftige Männer angestellt, und als er mehr Personal brauchte, hat er weniger geeignete Arbeiter angeworben, die noch zu späterer Stunde übrig waren. Die letzten hat er wohl nur noch aus Mitleid für eine Stunde arbeiten lassen. Das scheinbar ungerechte war nun, dass er allen den gleichen Lohn bezahlt hat. Er hat allen den lebensnotwendigen Denar ausbezahlt, selbst dann als einige Arbeiter protestierten und im Nachhinein mehr wollten. Genau so wie dieser Gutsbesitzer handelt, so handelt auch Gott bei den Menschen, sagt Jesus abschließend.
Was sagt uns das Gleichnis heute? Der Gutsbesitzer ist also Gott. Die Arbeiter im Weinberg das sind die Christen. Der Lohn ist gutes und erfülltes Leben. Der Weinberg ist die Kirche und die Gesellschaft von heute. Gott will, dass alle Menschen ein glückliches Leben haben. Ihm liegt jeder am Herzen, egal welche Voraussetzungen er mitbringt. Diese Voraussetzungen können nun körperliche, oder geistige Fähigkeiten, oder auch Handikaps sein. Jeder Mensch ist verschieden: der eine kann mehr leisten, der andere weniger. Was für Gott zählt ist die Bereitschaft in seinem Weinberg, in seiner Kirche und für eine christliche Gesellschaft mitzuarbeiten. Das gilt für jeden in der Weise, die ihm möglich ist. In diesem Sinne steht für Gott der Wille oft fürs Werk. Jedem, der auf seine Weise mitarbeitet am Reich Gottes, dem wird sein Lohn sicher sein; und Gott ist dabei nicht kleinlich. So zeigt das Gleichnis die überragende Güte Gottes, die eben nicht immer nach Leistung im Leben und im Glauben rechnet, sondern auch nach dem Bemühen. Bei Gott gibt es kein Leistungsdenken, sonst würden wir alle wohl mit sehr wenig Lohn in der Tasche nach Hause gehen. Spinnt man diesen Faden weiter, so muss bei manchem Gottesbild auch etwas korrigiert werden. Gott ist nämlich nicht der Aufpasser, der jede Sünde genau registriert und genau Buch führt. Er betrachtet unser Leben und Bemühen als Ganzes. Es kommt auf unsere wichtigen Grundentscheidungen, die den Glauben betreffen, im Leben an, und wie wir sie verwirklichen. Da kann es schon passieren, dass im Einzelfall manches schief geht. Aber das sind eben die Handikaps im Glaubensleben, die so mancher bewältigen muss. Aber wir können darauf vertrauen, dass Gott uns auch nicht anders behandelt, wie die Heiligen, wenn wir uns um eine liebende Beziehung zu Gott und den Mitmenschen bemühen. Gott schreibt keinen ab!