Predigt zum 4. Sonntag in der Osterzeit

Liebe Gläubige!
Schafe und Hirten, das sind die Bilder, die uns heute im Evangelium vor Augen geführt werden. Für die Menschen damals in Israel etwas Alltägliches. Aber für uns eine Idylle, die wir nur noch von Gemälden, oder aus Heimatfilmen im Fernsehen kennen. Daher brauchen diese Bilder heute eine Übersetzung. Schafe waren damals in Israel ein Grundnahrungsmittel, wie für uns heute die Schweine. Aber im Unterschied zu heute waren Schafe damals viel mehr wert. So bedeutete der Tod eines Schafs einen großen finanziellen Verlust. Daher kam es auf die Tüchtigkeit der Hirten an, - die meist Angestellte eines Großgrundbesitzers, oder sogar Tagelöhner waren -, ob die Schafzucht überhaupt einen Gewinn abwarf. Man muss bedenken, dass es damals auf den Weiden eine Vielzahl von wilden Tieren gab, wie Löwen, Hyänen oder ähnliches. Der Job des Hirten war also nicht ungefährlich oder gar beschaulich. So schlossen sie sich meist zu Gruppen zusammen und lebten Tag und Nacht mit und bei den Herden, für die sie verantwortlich waren. Daher war das soziale Prestige der Hirten ziemlich gering, da sie zum einen keinen eigenen Besitz und zum anderen keinen festen Wohnsitz hatten.
Für Jesus dient das Verhältnis von Schafen und Hirten als Gleichnis. Wie die Schafe dem Hirten folgen, wenn es am Abend in den Stall geht, oder wenn er sie auf eine frische Weide führt, so soll das Verhältnis von uns Christen zu ihm, Jesus, sein. Im Gegenzug will Jesus für uns und unser Wohlergehen sein Leben einsetzten. Er schaut unter allen Umständen, dass es uns gut geht im Leben. Er will uns in jeder Not und schwierigen Situation beistehen. Er will unser Leben Tag und Nacht begleiten. Er selbst definiert sich, gemäß dem Vergleich mit den Hirten, als abhängiger Verwalter der Schafe. Gott, der Vater, hat wie ein Großgrundbesitzer Jesus als Hirten die Schafe anvertraut. Aber bereits im nächsten Satz korrigiert Jesus sein Verhältnis als abhängiger Angestellter des Vaters. Er sagt, dass er und der Vater eins ist. Dies zeigt deutlich die Schwierigkeit, sich Jesus auf der einen Seite als Mensch der unter uns gelebt hat vorzustellen, und auf der anderen Seite Jesus als Gott und dem Vater gleichwertig und gleichartig zu betrachten.
Aber um die Verwirrung noch größer zu machen, bezeichnet der Johannes in seiner Offenbarung Jesus selber als das Schaf, das geschlachtet ist. Er sieht Jesus als Lamm, das die übrigen Schafe auf die Weide führt. Er will uns damit sagen, dass Jesus eben vollkommen ein Mensch wie wir war. Einer unter gleichen, als er gekreuzigt wurde. Außerdem kann man den Vergleich weiterführen: Wie ein Lamm das man zum Schlachten führt, oder dass angesichts seiner Scherer verstummt, so duldsam und unschuldig war Jesus, als er für uns in den Tod ging. Die Weide, auf die er uns führt wo Gott alle Tränen abwischt, ist das Leben nach dem Tod. Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat er uns ja gezeigt, dass es dieses Leben nach dem Tod gibt. Jesus als Lamm zu betrachten ist also ein Bild für unsere Erlösung, während das Evangelium vom Vertrauensverhältnis zwischen und uns Jesus spricht. Es wird ein ähnliches Bild bemüht, aber etwas ganz Unterschiedliches damit ausgesagt.
Die Kirche hat nun im Laufe der Jahrhunderte dieses Bild von dem Hirten und den Schafen weiter ausgebaut. Für sie sind die Hirten nun die Amtsträger, die in der Nachfolge Jesu stehen. Wie Jesus sollen sie sich als gute Hirten um die Schafe, damit sind die Gläubigen gemeint, kümmern. Wenn nun die Gläubigen als Schafe betrachtet werden, dann ist das durchaus nicht negativ gemeint. Bei uns heute spielt ja gleich der Gedanke des "dummen Schafes", das sich nicht helfen kann mit eine Rolle. Aber dieser Vergleich Hirt / Schafe soll eher den idealen Priester charakterisieren, und nicht die Gläubigen heruntermachen. Der Priester soll eben ein bisschen wie Jesus sein: Ein Bindeglied zwischen Gott und den Menschen, einer der für andere da ist, einer der die Menschen zu Gott, zur guten Weide wo das Leben schön ist, führen kann. So wird der heutige "gute Hirten" Sonntag auch als Tag der geistlichen Berufe gefeiert. Aber was tun, wenn der Priester mit diesem hohen Anspruch überfordert ist? Was tun, wenn die Schafe ihre eigenen Wege gehen wollen? Es ist eben nicht leicht heute in einer Zeit in der nur das Individuum zählt, Priester zu sein. Schon damals vor vielen Jahren bei meiner Priesterweihe bin ich von manchen ein bisschen belächelt worden. So nach dem Motto, was will der eigentlich, ich weiß doch selber am besten, wie ich mein Leben gestalten will. Einer der einem erwachsenen, selbstbestimmten und autonomen Menschen den Lebensweg zeigen will, der ist doch anachronistisch oder lächerlich. Das ist die allgemeine Meinung heute. Darum wird auch kaum mehr jemand Priester. Da würde auch die Aufhebung des Zölibats oder die Zulassung von Frauen nichts daran ändern. Ich sehe den Priester heute gar nicht mehr als Hirten, der andere führen soll, sondern als jemand, der für ein gelungenes Leben Zeugnis geben kann. Ich sehe ihn als Menschen, der sein Leben bewältigt durch sein festes Vertrauen auf Gottes Hilfe in jeder Situation. Jemanden, für den der Glaube eine wirkliche Lebenshilfe ist. Im Übrigen halte ich es mit dem Wächterspruch, den der Prophet Ezechiel von Gott bekommen hat:
" Menschensohn, ich gebe dich dem Haus Israel als Wächter. Wenn du ein Wort aus meinem Mund hörst, musst du sie vor mir warnen. Wenn ich zu einem, der sich schuldig gemacht hat, sage: Du musst sterben!, und wenn du ihn nicht warnst und nicht redest, um den Schuldigen von seinem schuldhaften Weg abzubringen, damit er am Leben bleibt, dann wird der Schuldige seiner Sünde wegen sterben; von dir aber fordere ich Rechenschaft für sein Blut. Wenn du aber den Schuldigen warnst und er sich von seiner Schuld und seinem schuldhaften Weg nicht abwendet, dann wird er seiner Sünde wegen sterben; du aber hast dein Leben gerettet. "